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antonius Laden legt erste Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz vor

Fröhliche und entspannte Gesichter, ein langer Prozess hat erste Früchte getragen: Vor zwei Jahren schloss sich der antonius Laden als erstes (Teil-)Unternehmen im Landkreis Fulda der Gemeinwohl-Ökonomie an. Nun zeigt die erste öffentlich einsehbare Bilanz, wie sozial gerecht und ökologisch nachhaltig der Bio-Laden tatsächlich handelt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, aber noch nicht in allen Bereichen ist man so gut, wie gedacht.

Freuen sich über das Ergebnis: v.l. Pia Groß, Carsten Flynn, Dr. Uta Anschütz.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

In allen Unternehmen von antonius arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung Hand in Hand, damit jeder sein persönliches Potenzial bestmöglich entfalten kann. Kein Wunder also, dass der Laden in puncto „Menschenwürde am Arbeitsplatz“ besonders punkten konnte. Zudem sind bis auf sehr wenige Ausnahmen alle Produkte bio, stammen zu einem großen Teil aus dem eigenen Netzwerk – dem Bauernhof, der Gärtnerei und der Bäckerei – und werden möglichst regional bezogen. Die Gemeinwohl-Bilanz gießt letzten Endes alle sozial-ökologischen Aspekte in eine Punktzahl, wobei das Spektrum von -3.600 bis 1.000 reicht. Der Fuldaer Bio-Laden fuhr mit 399 Punkten ein durchaus solides Ergebnis ein.

Sich selbst ehrlich in die Augen schauen

„Mit dem Bilanzierungsprozess hält man sich den Spiegel vor und schaut genau hin, in welchen unternehmerischen Aspekten man wirklich sozial gerecht und ökologisch nachhaltig handelt. Natürlich hat man immer ein Selbstbild, das kann aber schwammig sein oder ein Stück weit an der Realität vorbei gehen“, erklärt Ladenleiter Carsten Flynn, der sich gemeinsam mit Dr. Uta Anschütz federführend den Gemeinwohl-Ökonomie-Prozess verantwortlich zeichnet. Alleine das eigene Handeln genau zu analysieren und es am Ende strukturiert wie in einer Finanzbilanz vor sich zu sehen, sei aller Mühe wert. Eben dies sei der Hintergrund gewesen, warum man sich der Gemeinwohl-Ökonomie angeschlossen habe, betont Christian Bayer, Geschäftsführer antonius: gemeinsam begegnen. Es geht nicht alleinig um die Punktzahl der ersten Bilanz, sondern den Weg als Ziel zu begreifen. Denn auch der hauseigene Bio-Laden kann sich noch verbessern.

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Mit noch mehr Pluspunkten hatte Flynn beispielsweise beim Produkteinkauf außerhalb des antonius-Netzwerks gerechnet. Schließlich sind auskömmliche Einkaufspreise, langfristige Kooperationen, Verbandsware gegenüber EU-Bio den Vorzug geben und wo möglich aus der Region beziehen seit jeher fest in der DNA verankert. „Die täglich gelebte Praxis ist allerdings nicht in verbindlichen Einkaufsrichtlinien festgehalten, was wir nun nachholen“, erklärt Flynn. Damit sei dann auch eine solide Basis für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen, welche Werte unbedingt zu berücksichtigen sind. Zudem könnte der Laden mehr auf Erneuerbare Energien setzen, hierzu muss allerdings der gesamte antonius-Campus eingebunden werden, der sich derzeit zum Quartier entwickelt. Entsprechende Vorhaben Öko-Strom zu nutzen seien in Arbeit.

Weitere Bilanzen für den Laden sollen folgen

Das öffentlich einsehbare Testat nebst ausführlichem Bericht ist bis 31. Oktober 2026 gültig, danach soll wieder eine entsprechende Bilanz entstehen. „Für uns ist die Gemeinwohl-Ökonomie kein einmaliger Prozess, sondern ein Werkzeug das Unternehmen stetig weiterzuentwickeln“, betont Flynn. Dem stimmt Bayer zu: „Wir wollen ja kontrollieren, in welchen Bereichen wir uns verbessert haben.“

Aufgrund des damit verbundenen hohen Arbeitsaufwands, werden allerdings nicht wie ursprünglich angedacht weitere antonius-Betriebe ebenfalls eine Gemeinwohl-Ökokomie-Bilanz erstellen. „Obwohl die Unternehmen eng miteinander verzahnt sind, können die Ergebnisse des Ladens nicht eins zu eins übernommen werden.“

Gemeinwohl-Ökonomie als Antwort

Bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Region Fulda ist Pia Groß unter anderem für das Themenfeld Gemeinwohl-Ökonomie zuständig, und hat den Prozess bei antonius ebenfalls eng begleitet. Das Wirtschaftsmodell soll im Landkreis weiter Fuß fassen, denn eine entsprechende Bilanz sei alles andere als ein reines Nice-to-have. „Die Gemeinwohl-Ökonomie gibt Antworten auf die Nöte der hiesigen Unternehmen, wenn es beispielsweise darum geht, Ausbildungsplätze zu besetzen und Fachkräfte zu gewinnen“, sagt Groß. „Mitarbeitende möchten Verantwortung übernehmen, ernst genommen werden, eingebunden sein und schätzen Transparenz.“ Dem stimmt auch Flynn zu: „Ökologische Nachhaltigkeit und sozial gerechtes Handeln sind weitere Währungen neben dem reinen Gehalt.“

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Tipps von Carsten Flynn: So klappt es mit der Gemeinwohl-Ökonomie


Machen: Die wertvollen Erkenntnisse über das eigene Unternehmen sind den Aufwand wert.
Gemeinsam Teil eins: In Fulda gibt es eine Regionalgruppe der Gemeinwohl-Ökonomie, Jens Bode hat uns von Anfang an begleitet und war uns stets eine große Hilfe.
Gemeinsam Teil zwei: Mitarbeitende sollten zu Wort kommen und sich einbringen können. Dann wird der Prozess von allen getragen und nicht als reine zusätzliche von oben vorgegebene Maßnahme interpretiert.
Überblick: Mindestens eine Person sollte den Prozess zentral leiten und dafür Zugriff auf alle relevanten Daten wie beispielsweise Gehaltsstruktur, Finanzen, Energieverbrauch haben.

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