Bio? Logisch!

„Bio ist ein Wirtschaftswachstumsfaktor“

Im kommenden Jahr werden durch die Bundestagswahl die politischen Karten neu gemischt. Grund genug, dass die mittägliche Podiumsdiskussion auf der BioSüd in Augsburg Ende September beleuchtete, inwieweit die Bundespolitik ihre Nachhaltigkeitsziele im Ernährungssektor noch im Blick hat – und wie sichtbar die Bio-Lebensmittelbranche überhaupt ist.

Ursprünglich sollte die Bio-Strategie eine des Bundes sein, am Ende stand Landwirtschaftsminister Cem Özdemir vergangenen November alleine auf weiter Flur. An einem Ressort ist es gescheitert: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wollte in der Strategie die Offenheit für die neue Gentechnik festschreiben. Eine Technologie, welche die Bio-Lebensmittelbranche ablehnt. Wie so oft zeigte sich die Ampelregierung uneins.

Natürlich könne man verzweifeln. Allerdings verwies Jan Plagge, Präsident des mitgliederstärksten Anbauverbands Bioland und Präsident des europäischen Dachverbands IFOAM Organics Europe, unter anderem auf den in seinen Augen mutmachenden Bericht des strategischen Dialogs zur Zukunft der EU-Landwirtschaft. Selbst der europäische Bauernverband hat unterschrieben. Zudem ist die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur beschlossene Sache. „Die Mehrheit der Parteien steht hinter der Transformation der Landwirtschaft in Richtung mehr Nachhaltigkeit“, betonte er mit Blick auf Deutschland.

Bis 2030 sollen laut Bundesregierung 30 Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet werden, derzeit sind es rund zwölf Prozent. Das 30 Prozent-Ziel sei unerreichbar, wäre laut Plagge keine kluge Interpretation. Niels Kohlschütter, geschäftsführender Vorstand Schweisfurth Stiftung sprach die unbequeme Wahrheit aus: 30 Prozent Bio bis 2030 ist unrealistisch. „Dazu fehlen die Mittel, wenn wir auf das seit Jahren unverändert mit 40 Millionen Euro ausgestattete Bundesprogramm Ökologischer Landbau schauen. Ein großes Projekt kostet locker drei Millionen Euro, dann sind das zwölf Projekte pro Jahr. Das reicht nicht.“ Dennoch sei das Ziel wichtig, weil es eine Richtung weise.

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Der Freistaat Bayern hat sich ebenfalls das feste Ziel von 30 Prozent Bio bis 2030 gesetzt (Stand 2023 circa 13,7 Prozent der Flächen), gleichzeitig schimpft Ministerpräsident Markus Söder regelmäßig öffentlich auf die Grünen. Zudem verteufle er vieles aus dem nachhaltigen Bereich. „Diesen Widerspruch müssen wir immer wieder deutlich machen und auch, dass Ziele nicht sinnlos formuliert sind“, sagte Reiner Erben, Leiter Referat für Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima und Gesundheit der Stadt Augsburg. Lokal ist Bio gesetzt: So sollte die 2019 ins Leben gerufene Ökomodellregion Stadt.Land.Augsburg Ende 2024 auslaufen, wurde jedoch um weitere drei Jahre verlängert.

Mehr als Bio gefragt

„Uns retten nicht 30 Prozent Bio, sondern 100 Prozent nachhaltige Land- und Lebensmittelwirtschaft. Es wird unterschiedliche Pfade geben, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und Bio muss sich in diesem Wettbewerb gut positionieren,“ sagte Plagge. Die Ausgangslage sei herausfordernd und gleichzeitig fantastisch. Zwar fokussiere sich die regenerative Landwirtschaft auf fruchtbare Böden und den Erhalt der Artenvielfalt, jedoch gibt es weder einheitliche noch verbindliche Regeln. Ein echter Systemvorteil böte Bio als etablierter, geschützter und stetig kontrollierter Lebensmittelstandard. „Uns gibt es mit über 500.000 Betrieben in ganz Europa schon. Das Bio-Zertifikat liefert einfache Nachweise für Nachhaltigkeitsberichte oder Agrarförderung.“ Sprich, an Bio käme man nicht vorbei.

Um die Landwirtschaft weiter zu ökologisieren, dürfe man Bio nicht aufzwingen. Ansonsten entstehen Widerstände, worauf Kohlschütter hinwies. Erfolgversprechender sei es bei konkreten Vorhaben wie dem Gewässerschutz Gemeinsamkeiten zwischen konventionellen und ökologischen Betrieben zu finden. „Es geht um den Erhalt der Natur und unserer Lebensgrundlage. Wenn wir das nach vorne stellen, dann kann Bio als Nebeneffekt auftauchen, was es in der Kommunikation viel einfacher macht.“

In ein ähnliches Horn stieß Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren. So sei Bio bestens geeignet, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. „Bio ist ein Wirtschaftswachstumsfaktor“, hob sie hervor. Diese Botschaft gelte es für die nächste Bundestagswahl zu transportieren und vor allem die mittelständischen Erzeuger und Verarbeiter in den Fokus zu rücken. Zwar gibt es viele Förderprojekte für nachhaltiges Wirtschaften, die große Frage sei jedoch, ob auch diejenigen an die Mittel kämen, die für den bürokratischen Aufwand keine Kapazitäten haben ein bis zwei Personalstellen frei zu machen. „Wenn wir auf Bundes- oder Landesebene keine Lotsen haben, dann kommen die Mittel nur sehr schwer an. Da haben wir tatsächlich noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns.“ Zumal die Öko-Unternehmen zu oft durchs Förderraster fielen.

Kleine Schritte statt großer Wurf

Bio in der Außer-Haus-Verpflegung bremse die erhöhte Mehrwertsteuer und das Rückzahlen der Corona-Hilfen, zudem sei der bürokratische Aufwand hoch. „Da traut man sich nicht gleich mit großen Investitionen rauszugehen. Es ist immer noch sehr kleinteilig“, sagte Wilhelm Hellmann, Geschäftsführung Naturland Zeichen und machte klar: „Nur aufgrund von politischen Forderungen stellt der Landwirt nicht um, sondern er braucht eine Nachfragesituation. Junge Hofnachfolger benötigen eine Perspektive für ihre Familien.“

Zu lange habe man ausschließlich die großen Ziele im Fokus gehabt und dabei die vielen kleinen Schritte aus dem Blick verloren – meinte zumindest Plagge. So verwies er auf das nur wenige Kilometer entfernte Stadion vom FC Augsburg, wo es Bio-Lebensmittel gibt. Statt großem Bio-Wurf bleibt es wohl vorerst eher kleinteilig.

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