Fast 30 Jahre war Geschäftsführer Josef Brunnbauer das Gesicht von Biokreis, den er von einer 1979 gegründeten Verbraucherinitiative zu einem bundesweit aktiven Anbauverband ausgebaut hat – und nun auf eigenen Wunsch zum 1. Oktober verlässt. Interimsmäßig übernimmt Vorstandsvorsitzender Thorsten Block in prägenden Zeiten die Zügel. Nach dem Einstieg des Discounters Netto gilt es einerseits große und konventionell geprägte Handelsstrukturen wie den Interessen der kleinbäuerlichen ökologischen Landwirtschaft gleichermaßen gerecht zu werden. Kann dieser Spagat gelingen?
Was sind derzeit die wichtigsten Baustellen?
Biokreis soll ein eigenständiger Verband bleiben, ihn weiterzuentwickeln ist das größte Ziel. Ganz bewusst möchten wir eine vielfältige Markenstrategie, so dass Erzeuger und Verarbeiter frei unter mehreren Anbauverbänden den für sie passenden auswählen können.
Da Sie wie aus der Pistole geschossen den Erhalt als Erstes nennen, scheint dies besonders herausfordernd zu sein.
Noch bis vor wenigen Jahren ist die Bio-Nachfrage stetig gestiegen und so konnten wir ohne allzu großes Zutun kontinuierlich neue Mitglieder gewinnen. Seit 2018 verlangsamst sich der Zuwachs, 2021 und 2022 konnten wir zum jeweiligen Stichtag 01.01. zwar den bisherigen Höchststand von 1.324 Betriebe halten, im vergangen Jahr sank die Anzahl jedoch auf 1.255. Gleichzeitig konnten wir 2023 bei der Fläche um 5,5 Prozent zulegen: ein Plus von 4.397 Hektar auf insgesamt 84.610 Hektar. Der allgemeine Trend in der Landwirtschaft weniger Höfe, die mehr Fläche bewirtschaften, macht auch vor uns nicht halt.
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Biokreis ist 1979 angetreten, um vor allem kleinbäuerliche Strukturen, handwerkliche Lebensmittelverarbeiter und regionale Wirtschaftskreisläufe aktiv zu fördern. Nun ist der Discounter Netto dieses Jahr Mitglied geworden. Was ist von dem anfänglichen Ideal noch übrig und wie möchten Sie den Spagat der unterschiedlichen Interessen der großen und kleinen Akteure bewältigen?
Das schreiben wir uns nach wie vor auf die Fahne und ich erkenne keine unüberwindbaren Gegensätze. Auch Bioland ist mit Lidl und danach Naturland mit Aldi eine Kooperation eingegangen. Neue Märkte wurden dabei erschlossen, aber die alten nicht zerstört. Trotz unseres „Fachhandelsbeschlusses“ im Jahr 2019 ließ der Bio-Fachhandel dem Biokreis keine Vorzüglichkeit zukommen. Es ist jedoch unsere Aufgabe als Verband, im Interesse unserer Mitglieder zu handeln und durch das Erschließen vielfältiger Absatzmärkte eine stabile Vermarktungssituation zu erreichen.
§ 2, 2.3 Ziele und Zwecke des Verbandes (Auszug aus der Satzung)
„Einsatz für die Erhaltung und Sicherung der Existenz der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Familienbetriebe. Förderung der gewachsenen Agrarstruktur, der Unabhängigkeit organisch-biologischer Landwirtschaft, sowie die Stärkung dezentraler überschaubarer Strukturen im vor- und nachgelagerten Bereich.“
Seit jeher können Mitglieder frei entscheiden, in welche Handelsstrukturen sie liefern. Netto ist Mitglied geworden, um bei seiner Eigenmarke BioBio Biokreis-Produkte offen als solche ausloben zu können. Große Strukturen sind nicht automatisch schlecht, es kommt immer auf das Management an.
Nun können größere Handelsstrukturen aber mit kleinbäuerlichen Betrieben und echten Manufakturen wenig anfangen.
Die Mengen vor allem im filialisierten Bio-Fachhandel sollten wir nicht kleinreden, auch hier beliefern eher mittelständische und vergleichsweise größere Erzeuger wie Verarbeiter. Sonst wäre nicht genug Ware in gleichbleibender Qualität verfügbar. Kleinbäuerliche Landwirtschaft kann den flächendeckenden Zugang zu Bio-Lebensmitteln alleine nicht gewährleisten. Wenn wir als Anbauverbände unseren Teil dafür leisten möchten, dass 30 Prozent der Anbauflächen bis 2030 ökologisch bewirtschaftet werden (so das Ziel der Bundesregierung, welches beim derzeitigen Stand von knapp zwölf Prozent allerdings kaum zu erreichen ist, dazu bräuchte es den fünffachen Ausbau – Anmerkung Jens Brehl), müssen wir neue Konsumenten abholen, die sich bisher keine Gedanken über Bio-Lebensmittel gemacht haben. Mit Qualitäten wie Optik und Geschmack gilt es zu überzeugen.
Inwieweit sollen die strategischen Kooperationen mit dem konventionellen Lebensmittelhandel und dem Discount weiter ausgebaut werden?
Aktiv sind wir nicht auf der Suche, aber grundsätzlich offen. Dabei gilt es immer abzuklopfen, ob die Partnerschaft passt – und nicht nur unter dem Gesichtspunkt Bio-Eigenmarke. Entscheidend ist unter anderem, inwieweit soziales Miteinander und ökologische Nachhaltigkeit bereits Themen im jeweiligen Haus sind. Was wird beispielsweise für den Wasserschutz unternommen, was für den Erhalt der Biodiversität?
Welche Strukturen gilt es innerverbandlich zu stärken oder aufzubauen, um die konventionellen Handelsakteure zu betreuen und weitere zu gewinnen? Abgesehen von der bereits weit vor dem Einstieg von Netto bestehenden strategischen Partnerschaft mit tegut, betritt Biokreis ein gutes Stück Neuland.
Seit Kurzem unterstützt uns Fabian Miehlbradt, der die Bereichsleitung Verarbeitung und Handel Süd übernommen hat und auch den konventionellen Handel für den gesamten Biokreis betreut.
Generell müssen sich unsere fünf Erzeugerringe (das sind so etwas wie Landesverbände – Anmerkung Jens Brehl) noch verstärkter mit den Bio-Verarbeitern auseinandersetzen. Hier erfahren wir aus erster Hand, welche Waren und Qualitäten der Handel fordert und können das unseren Erzeugern spiegeln. Sprich weniger ins Blaue hinein zu produzieren, sondern sich mehr am Markt zu orientieren und direkte Abnehmer zu finden lautet die Devise.
Welche weiteren Weichen gilt es in diesem Jahr noch zu stellen?
Es muss klarer werden, wofür wir stehen: Im Prinzip muss unsere Philosophie allgemeinverständlich auf einen Bierdeckel passen.
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