Nach fast dreißig Jahren verlässt Geschäftsführer Josef Brunnbauer auf eigenen Wunsch zum 1. Oktober den Anbauverband Biokreis. Der im Frühjahr 2023 neu gewählte Vorstandsvorsitzende Thorsten Block übernimmt die zusätzlichen Aufgaben interimsmäßig in herausfordernden und für den Verband entscheidenden Zeiten.
„Ich habe in all den Jahren den Biokreis als eigenständigen Verband organisiert. Mein Ziel war, die traditionelle und über 30 Jahre gewachsene Struktur des Biokreis so anzupassen, dass er den aktuellen Herausforderungen gerecht werden kann. Doch meine Vorstellungen waren mit dem Vorstand nicht mehr in Deckung zu bringen, so dass am Ende die Entscheidung stand, getrennte Wege zu gehen“, erklärt Brunnbauer in einer Pressemitteilung. Ein entsprechender Aufhebungsvertrag wurde bereits Anfang August unterzeichnet.
In der Pressemitteilung heißt es weiter, Vorstandsvorsitzender Thorsten Block bedauere die Entscheidung: „Josef Brunnbauer hat die Ökolandwirtschaft in Deutschland wesentlich mitgeprägt, weiterentwickelt und ausgebaut. Wir wünschen ihm alles Gute und hoffe, dass er seine unvergleichliche Kompetenz und Erfahrung auch in Zukunft gewinnbringend für die Bio-Branche und den Ökolandbau einsetzen kann.“
Block wird interimsmäßig das Tagesgeschäft weiterführen, bis ein geeigneter Nachfolger/eine geeignete Nachfolgerin gefunden ist. Erst kürzlich wurden neue Weichen gestellt, die dem Verband einiges an organisatorischer und inhaltlicher Arbeit abverlangen.
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Eigenmarken mit Biokreis: Vom Bio-Fachhandel in den Discounter
Als Reaktion auf die Kooperation von Bioland und Lidl fokussierte sich Biokreis als einziger Anbauverband qua Mitgliedervotum 2019 auf den Bio-Fachhandel. „Als Bioland 2018 seine Kooperation mit dem Discounter Lidl bekannt gab, waren etliche Bio-Fachhändler extrem enttäuscht. Quer durch die Branche wurde vom ‚Sündenfall‘ gesprochen. Man muss sich bewusst sein, einem Discounter zu helfen sich einen grünen Anstrich zu verpassen. Das Unternehmen steht nicht für handwerklich geprägte Strukturen“, sagte Brunnbauer 2022 in einem Interview auf der Fachmesse BioNord.
Seit jeher können alle Biokreis-Erzeuger und -Verarbeiter frei in alle Handelsstrukturen liefern. Der „Fachhandelsbeschluss“ legte jedoch fest, dass nur Händler als Biokreis ausgelobte Eigenmarken führen durften, die mindestens ein Fünftel ihres Umsatzes mit Bio-Lebensmittel erwirtschaften – ein Zugeständnis an tegut. Die Kooperation mit Discountern war jedoch ausgeschlossen.
Allerdings führte der Beschluss nicht dazu, dass der Bio-Fachhandel Biokreis-Ware auf breiter Ebene den Vorzug gab. Das einzige Leuchtturmprojekt Bio Company hat seine Mitgliedschaft zum Ende des Jahres gekündigt. Das diesjährige Aus des „Fachhandelsbeschlusses“ kurz zuvor sei nicht der Grund gewesen, wie Bio Company auf Nachfrage mitteilte. Auf der Mitgliederversammlung Anfang März hatte sich Biokreis mit 61 Ja-Stimmen, 53 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen strategischen Partnerschaften mit dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel und Discountern geöffnet. „Das denkbar knappe Ergebnis zeigt, wie sensibel das Thema ist“, sagte damals Block im anschließenden Gespräch mit „über bio“.
Vier Monate später verzeichnete der Verband mit dem Discounter Netto ein neues Mitglied, seitdem sind unter dessen Eigenmarke BioBio offen als Biokreis ausgelobte Schweine-Nackensteaks und Schweine-Rückensteaks in ausgewählten Filialen erhältlich. Es ist anzunehmen, dass diesbezügliche Gespräche und Verhandlungen bereits vor der diesjährigen Mitgliederversammlung geführt wurden – die bei einem Nein der Mitglieder (vorerst) obsolet gewesen wären.
Dieser Schritt mag die Schleusen neuer Vertriebskanäle geöffnet haben, allerdings verlor Biokreis ein Alleinstellungsmerkmal. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Verband bereits im vergangenen Jahr den damals noch bestehenden „Fachhandelsbeschluss“ kreativ umgangen ist. Edeka hatte Ende Januar 2023 angekündigt, seine Eigenmarke Naturkind um Biokreis-Produkte zu erweitern, Edeka-Tochterunternehmen Naturkind trat dafür Biokreis bei. „Naturkind führt ausschließlich Bio-Produkte und ist damit dem Fachhandel zuzuordnen“, erklärt Brunnbauer. Bis heute sind bei Naturkind allerdings keine als Biokreis ausgelobten Produkte im Sortiment. Man habe Biokreis bei der Ausschreibung einiger Eigenmarken aufgenommen, teilt Edeka nach Anfrage von „über bio“ schriftlich mit. „Biokreis ist für uns auch weiterhin ein starker Kooperationspartner. Aufgrund von Themen rund um Regionalität, Verfügbarkeit und Zertifizierung sind jedoch viele Faktoren bei der Produktgestaltung zu berücksichtigen“, heißt es in der Mail.
Spagat zwischen den Interessen der Kleinen und der Großen?
„Einsatz für die Erhaltung und Sicherung der Existenz der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Familienbetriebe“, steckt die Biokreis-Satzung als Ziel fest. Daher steht Block und der gesamte Vorstand vor dem Spagat, einerseits Wertschöpfungsketten zu schaffen und fachkundiges Verbandspersonal aufzubauen, um den Anforderungen des konventionellen Handels gerecht zu werden und möglichst auf Augenhöhe zu agieren. Biokreis betritt damit weitgehend Neuland. Gleichzeitig gilt es, die Interessen kleinbäuerlicher Betriebe und mittelständischer Bio-Verarbeiter im Blick zu behalten. Wird das die Quadratur des Biokreises? Hierzu äußerst sich Thorsten Block im Interview.
Rücktritte im Vorstand und ein weiterer Wechsel
(Nachtrag 03. September 2024: Seit 2011 im Biokreis aktiv gewesen und seit 2019 dort als Referentin Agrarpolitik tätig, ist Jana Werner bereits im April als Referentin Fördermittel zur Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft gewechselt.) Zwei auf der Mitgliederversammlung 2023 neu gewählte Vorstandsmitglieder haben vor Ende ihrer ersten Amtszeit Monate vor Brunnbauers Entscheidung und damit unabhängig davon ihr Amt niedergelegt. Flavio Traxl war Geschäftsführer von Bio Rind & Fleisch EZG, hat sich allerdings beruflich verändert und übernimmt derzeit das Demeter-Gut Domäne Fredeburg in Schleswig-Holstein. Satzungsgemäß musste Traxl im Juni seinen Posten räumen, da er nicht länger Geschäftsführer eines Biokreis-Mitgliedunternehmens war. Bio-Imker Dieter Willared arbeitete bereits vor seiner Wahl in den Vorstand inhaltlich an Verbandsthemen mit und wird dies auch weiterhin tun. Biokreis bleibe seine Heimat, wie er im Gespräch betont, auch wenn er auf eigenen Wunsch seinen Vorstandsposten bereits im März räumte. Ende Juni hatte Pressesprecherin Stephanie Lehmann Biokreis verlassen und ist als Referentin der Geschäftsführung zu Naturland gewechselt. Lehmanns Aufgaben übernimmt Ronja Zöls-Biber, die zuvor schon das Mitgliedermagazin BioNachrichten verantwortet hat.
Ein Pionier nimmt Abschied
Josef „Sepp“ Brunnbauer führte den 1979 als Verbraucherinitiative gegründeten Biokreis Ostbayern zu einem bäuerlichen Anbauverband, der als Biokreis e.V. mit fünf Landesverbänden in ganz Deutschland vertreten ist. Sein Augenmerk lag auf der Entwicklung regionaler Wertschöpfung mit einer starken Gemeinschaft. Dabei war es ihm immer ein zentrales Anliegen, dass der Verband einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und den ökologischen Landbau in bäuerlichen Strukturen fördert, um die vielfältige Kulturlandschaft zu bewahren. Zum Biokreis gehören viele Familienbetriebe, die die Wertschöpfung vor Ort erhalten und damit Verantwortung und Engagement für ihre Region zeigen.
Er erlebte zudem die Auflösung der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau e.V. (AGÖL) und die Neugründung des Dachverbands Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW), wo er seit dessen Gründung durchwegs Mitglied des erweiterten Vorstandes war. In seiner Funktion war es ihm wichtig, die Rahmenbedingungen für Bio-Betriebe praxisnah zu gestalten.
Bis 2015 und damit fast 20 Jahre war er im Vorstand der Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern, ein Zusammenschluss der vier Anbauverbände Bioland, Naturland, Demeter und Biokreis auf Länderebene, tätig. 2022 erhielt er den bayrischen Verdienstorden für seine Leistungen für den ökologischen Landbau.
Nie ein reiner Verbandsfunktionär, führte er den in 2005 zusammen mit Roland Weber (verstorben 2012) neugegründeten ökologischen Ackerbaubetrieb Stelzlhof in Passau bis 2022 im Nebenerwerb. „Dadurch war ich immer nah bei den Landwirten und konnte Ihre Sorgen und Nöte gut nachvollziehen, und auch aus der Perspektive des praktischen Landwirts beurteilen“, sagt er im Gespräch mit „über bio“.
Lieber Sepp,
ganz herzlichen Dank an Dich, für über ZWANZIG Jahre tolle Zusammenarbeit mit Dir, Danke für Dein offenes Ohr, für Dein Verständnis auch für Deine Kritik, Danke für unser gegenseitiges Wachstum, ich habe viel von Dir gelernt. Schön, dass es Menschen wie Dich gibt.
Lieber Sepp
Begegnung mit dir ist wie ein Sommersturm. niemals lau
so viel Engagement
so viel Herzblut
danke danke danke für all deinen Einsatz für den ökologischen Landbau und die Familienbetriebe
Auf ein baldiges Wiedersehen „gut Blatt“
Steht der #Biokreis am Wendepunkt oder am Endepunkt?
Danke, Sepp, für die vielen tollen Jahre, deinen Charme & Witz, dein Engagement, deine unglaubliche Fachkenntnis & deine Unterstützung! 🥲
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