Bio? Logisch!

Demeter: Quote für Zweinutzungshühner vorerst vom Tisch

Weil es der Markt nicht regelt, sollte auf der Delegiertenversammlung des Anbauverbands Demeter im nächsten April über eine feste Quote von 20 Prozent Zweinutzungshühnern und -hähnen abgestimmt werden. Bei Beschluss wäre Demeter der erste Anbauverband, der diesen Schritt gehen würde, um einen Ausweg aus der ökologisch fragwürdigen und unwirtschaftlichen Mast der Bruderhähne – diese verbrauchen zu viel Futter und liefern wenig Fleisch – weiter zu ebnen. Der entsprechende Antrag wird allerdings nicht gestellt. Carsten Bauck, einer von vier Sprechern der Facharbeitsgruppe Geflügel, ist enttäuscht und zieht persönliche Konsequenzen.

Setzt sich weiter für Zweinutzungshühner ein: Demeter-Landwirt Carsten Bauck, hier auf der BioNord 2022.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Das Töten der männlichen Küken direkt nach dem Schlupf ist in Deutschland verboten, Bio-Branche und Anbauverbände (mit Ausnahme von Biopark) lehnen die Geschlechtsbestimmung im Ei geschlossen ab. Reift ein männlicher Embryo heran, wird er samt Ei vernichtet. Somit bleibt nur noch die Aufzucht der Bruderhähne, die bei allen Anbauverbänden (mit Ausnahme Biopark) verpflichtend ist. Unter EU-Bio ist dies nicht vorgeschrieben, aber vielfach gelebte Praxis. Diese sollte allerdings nur ein kurzer Zwischenschritt sein, bis in nennenswerter Anzahl Zweinutzungsrassen, die wieder eine ausgeglichene Balance zwischen Eierlegeleistung und Fleischansatz aufweisen, in Öko-Ställe eingezogen sind. Das Vorhaben stockt derzeit erheblich. Zweinutzungsrassen haben in der gesamten Bio-Geflügelhaltung nur einen niedrigen einstelligen prozentualen Anteil.

Quote als Impulsgeber

Bereits in einem vorherigen Interview warb Demeter-Landwirt Carsten Bauck für eine feste Quote bei allen Anbauverbänden. Die Facharbeitsgruppe Geflügel arbeitete für Demeter bereits an einem Antrag, um eine solche in den Richtlinien zu implementieren. Bis Ende 2027 sollten 20 Prozent der Hühner und Hähne auf Demeter-Betrieben Zweinutzungsrassen angehören, eine Ausnahme für kleine Betriebe, die weniger als 350 Tiere halten, war angedacht. „Vorher hätten wir definiert, was unter Zweinutzungsrassen zu verstehen ist. Klar war, dass alle Tiere der gemeinnützigen Ökologischen Tierzucht und die Lohmann Dual inbegriffen wären“, erklärt Bauck. Demeter-Betriebe halten deutschlandweit nach Angaben des Anbauverbands zwischen 160.000 und 180.000 Legehennen nebst den dazugehörigen Bruderhähnen, hinzu kommen etwa 32.000 Mastplätze. „Schon heute erfüllen wir eine Quote von mindestens zehn Prozent. Wir sind weiter, als viele denken.“

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Doch nur die Hälfte der 18 Stimmberechtigten aus der Facharbeitsgruppe Geflügel sprach sich bei einem Treffen am 20. und 21. Juli auf einem Demeter-Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern für den Antrag auf eine feste Quote aus. Während der monatelangen inhaltlichen Arbeit herrschte ein positiver Grundtenor vor, die teilweise Rolle rückwärts kam für Bauck überraschend. Der Antrag wird nicht gestellt. „Das ist kein ausreichend starkes Votum, um auf der nächsten Delegiertenversammlung für eine Erweiterung der Richtlinien zu werben.“ Derzeit finden hochpreisige Bio-Produkte, worunter Eier und Fleisch der Zweinutzungsrassen fallen, aufgrund beim Lebensmitteleinkauf sparsam gewordener Kundschaft weniger Absatz. Das mag ein Grund sein, warum sich einige gegen den Antrag ausgesprochen haben. „Was die Kundschaft in Sachen Qualitäten und Tierwohl jahrelang verlangt und goutiert hat, ist derzeit teils schwer zu vermarkten“, sagt Bauck, aber: „Das Vorhaben ist aufgeschoben, nicht aufgehoben.“ Verbandsintern würde weiter über eine Quote diskutiert.

Carsten Bauck tritt nicht mehr an

„Ich habe mir einen Impuls erhofft, dass sich alle Betriebe und die Vermarkter wieder verstärkt mit dem Thema beschäftigen und in die Kommunikation mit ihren Kunden gehen müssen. Dadurch hätten wir schnell eine breitere Öffentlichkeit erreicht“, zeigt sich Bauck sichtlich enttäuscht und frustriert, dass die Chance auf eine frühzeitige Vorreiterrolle vorerst verstrichen ist.

Demeter stellte die Facharbeitsgruppe Geflügel 2006 auf, seither war Bauck einer ihrer gewählten Sprecher. Bereits drei Jahre zuvor war er erstmals in der Richtlinienkommission tätig. Nun zieht er persönliche Konsequenzen und tritt im kommenden Januar nicht mehr als Sprecher an. „Nach bald 20 Jahren wird es wohl Zeit für andere Herangehensweisen.“

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100 Prozent Bio von Beginn an


Um eine Lücke zu schließen, wird die Facharbeitsgruppe Geflügel auf der Delegiertenversammlung nächsten April den Antrag stellen, dass auf Demeter-Betrieben nur noch 100 Prozent ökologisch aufgezogene Jungtiere einziehen dürfen – bei Annahme eventuell bereits ab 2025. Anders als Demeter erlauben Naturland und Biokreis fünf Prozent konventionelles Futter während der Geflügelaufzucht. Bioland ebenfalls – aber nur, wenn es ohne chemische Lösungsmitteln aufbereitet wurde und nicht ausreichend Futter in Bio-Qualität verfügbar ist. „Diese zugekauften Tiere sind deutlich günstiger, eine Junghenne kostet sechs bis acht Euro weniger. Wir möchten aber 100 Prozent Bio von Beginn an“, erklärt Bauck den Schritt.

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