Bio? Logisch!

Zweinutzungshuhn: „Wir meinen das wirklich ernst“

Bio-Branche und Anbauverbände sind sich weitgehend einig: Einseitig auf Höchstleistung ausgerichteter Tierzucht möchte man so gut es geht den Rücken kehren, in der Bio-Geflügelhaltung sollen so flächendeckend wie möglich Zweinutzungsrassen einziehen. Die weisen wieder eine ausgeglichene Balance zwischen Legeleistung und Fleischansatz auf, so dass sich die Mast der Hähne lohnt. Eier und Fleisch von Zweinutzungsrassen sind in der aktuellen wirtschaftlich angespannten Lage allerdings nur schwer bis gar nicht zu vermarkten, da sie am teuersten sind. Bio-Landwirt Carsten Bauck lässt sich davon nicht abschrecken.

Auf der diesjährigen Fachmesse BioNord präsentierte Carsten Bauck das „volle Pfund“.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Verglichen mit spezialisierten Hochleistungs-Hybriden legen bei Zweinutzungsrassen die Hühner weniger Eier, die Mast der Hähne dauert länger. Carsten Bauck, Bio-Landwirt und Mitgründer der Bruderhahn Initiative Deutschland (heute Brudertier Initiative Deutschland), ist aus Überzeugung den nächsten Schritt gegangen. Die Aufzucht der Bruderhähne der Lege-Hybride soll in der ökologischen Landwirtschaft lediglich ein Zwischenschritt sein, denn die Tiere verbrauchen vergleichsweise viel Futter und liefern am Ende wenig Fleisch. „Für uns ist es kein Lippenbekenntnis, dass der Bruderhahn nur eine Brücke sein soll. Wir meinen das mit dem Zweinutzungshuhn wirklich ernst“, bekräftigt Bauck.

Daher sind auf seinem nach Demeter-Richtlinien wirtschaftenden Bauckhof im niedersächsischen Uelzen Ortsteil Klein Süstedt im August vergangenen Jahres zwei Herden zu je 1.000 Legehennen der Zweinutzungsrassen Coffee und Cream von der gemeinnützigen Ökologischen Tierzucht eingezogen, die die Anbauverbände Bioland und Demeter 2015 gemeinsam ins Leben gerufen haben. „Als wir 2002 mit der Geflügelhaltung auf unserem Hof begonnen haben, wollten wir so viele Kompromisse wie möglich ausschließen. Das Ziel war immer letztendlich auf Zweinutzungsrassen zu setzen, sobald diese sich auch in der Erwerbslandwirtschaft bewähren.“ Bereits 2006 hatte Bauck mit dem Zweinutzungshuhn Tetra H erste Erfahrungen gesammelt.

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Absatz ist mäßig

Auch er merkt den allgemeinen Umsatzrückgang bei Bio-Premiumprodukten. Ein Fünftel der 7.600 Legehennen-Plätze in den Mobilställen ist derzeit unbelegt. Verglichen mit den ebenfalls auf dem Hof eingesetzten Lohmann Brown-Plus legen die Zweinutzungshühner länger kleine Eier. Daher sind diese von der Gewichtsklasse S bis L gemischt als 500-Gramm-Packung seit 1. März im Bio-Fachhandel erhältlich. Für sieben bis zwölf Eier vom Zweinutzungshuhn sind für Endverbraucher zehn Euro fällig. Zu bekommen ist das „volle Pfund“ beim Großhändler Naturkost Nord, in den fünf Filialen des Bio-Einzelhändlers Naturata in Köln und der Bio-Kistenlieferdienst Hoflieferant Hamburg hat es im Angebot. „Trotz Willen und hervorragender Kommunikation seitens der Händler laufen die Eier nur mäßig.“ Auch aus diesem Grund rückten auf dem Bauckhof nur 800 Zweinutzungshennen nach, nachdem die ersten beiden Herden geschlachtet waren.

Die Zweinutzungshähne wachsen entweder auf dem eigenen Betrieb oder beim Geflügelhof Schubert im bayerischen Igensdorf auf. Deren Fleisch landet in Baucks hofeigenen Bruderhahn-Fertiggerichten im Glas, eine gesonderte Produktlinie für Fleisch vom Zweinutzungshahn existiert (noch) nicht. Zu Ostern und Weihnachten sind auch ganze Tiere zu haben. Der Bauckhof schlachtet und verarbeitet selbst.

Bremsklotz Krise

„Natürlich können wir nicht von heute auf morgen den kompletten Tierbestand umstellen. Es tut mir richtig weh, dass nicht schon längst in der Hälfte der Mobilställe Zweinutzungshühner untergebracht sind, was unser fester Plan war. Das ist in der jetzigen wirtschaftlichen Situation allerdings unmöglich.“ An Zweinutzungsrassen hält er weiterhin fest, wie er mehrfach betont. „Was wäre das für ein Signal, wenn wir als einer der ältesten Bio-Betriebe jahrelange getrommelt haben und dann aus wirtschaftlichen Gründen einen Rückzieher machen?“ Allerdings würden es sich Bio-Branche und Anbauverbände momentan mit der Übergangslösung Bruderhahnaufzucht der Lege-Hybride allzu bequem machen. Das Zukunftsmodell Zweinutzungsrassen wird nicht nach außen wahrnehmbar forciert und zu wenig aktiv unterstützt.

Anderswo ist diese Zukunft bereits wieder Geschichte (€). Vor drei Jahren zogen die ersten Herden der Zweinutzungsrasse Coffee und Cream auf einzelnen Höfen des Vermarkerverbunds Die Biohennen aus dem bayerischen Vohburg ein. Doch deren Eier und Fleisch rief der Handel kaum ab. Neue Tiere werden demnach nicht eingestallt, die noch verbliebenen Zweinutzungshühner legen voraussichtlich im April 2023 die letzten Eier. Danach ist mit dem Herzensprojekt Schluss.

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